AUSTRIAN CINEMA: IF THESE WALLS COULD TALK
Di 8.8.2023 20:30
Risse im Gemäuer als filmische Metapher für die Risse, die die Wirklichkeit bekommt, wenn Frauen die Glaubwürdigkeit abgesprochen wird: Dreimal Unbehaglichkeitskino »made in Austria«, dreimal subtiler Alltagshorror mit unterschiedlichen Geschmacksnoten. Wenn sich Stockwerke plötzlich ohne ersichtlichen Grund verschieben und hinter rustikalen Tapeten fremde Wesen hausen, dann droht sich der Bruch zwischen Selbst- und Fremdwahrnehmung zu einem verschlingenden Graben auszudehnen. Liegt der Glitch in der eigenen Wahrnehmung oder in der Manipulation durch das Umfeld? Susi Jirkuff, Michaela Grill und Paul Ertl zeichnen in ihren Filmen vielschichtige Frauenfiguren, die sich zu behaupten wissen. So wie eine gewisse Frau Pospisil, resolute Wiener »Scream Queen«, deren Leben einen köstlichen Twist erfährt.
Cracks in the walls serve as a metaphor for the cracks in reality when women are denied credibility: Three times uncomfortable cinema »made in Austria«, three times subtle everyday horror with different flavors. When floors suddenly shift for no apparent reason and strange creatures dwell behind rustic wallpaper, the gap between self-perception and perception of others threatens to widen into an engulfing chasm. Is the glitch in oneʼs own perception or in the manipulation by the environment? In their films, Susi Jirkuff, Michaela Grill and Paul Ertl highlight complex female characters who learn to assert themselves. Just like Mrs. Pospisil, a resolute Viennese »scream queen«, whose life receives a delightful twist.
Sprachen / Languages
💬 Filme in Originalfassung mit englischen Untertiteln / Films in original version with English subtitles
🦻 Induktive Höranlage für Träger*innen von Hörgeräten/-implantaten / Induction loop for CI and hearing aid users
Filmtalk
Susi Jirkuff / WO ICH WOHNE
Marija Burtscher, Paul Eckhart, Paul Ertl, Lukas Schöffel & Berta Kammer / DER RISS
Moderation: Bianca Jasmina Rauch
Kuration
Lisa Mai
WO ICH WOHNE
Susi Jirkuff / Österreich 2022 / 11 min / OmeU»Ich wohne seit gestern einen Stock tiefer«, sagt das Ich. Aber niemand sonst scheint diesen mysteriösen Umstand bemerkt zu haben. Susi Jirkuffs gezeichneter Film beruht auf einer Erzählung der Autorin Ilse Aichinger, die den nationalsozialistischen Terror in einer Wohnung nahe des Wiener Gestapo-Hauptquartiers versteckt überlebte. Entsprechend lässt sich der plötzliche und rational unerklärliche Abstieg von Etage vier nach ganz unten als Metapher auf die soziale Ächtung verstehen, die Aichinger, deren Mutter Jüdin war, erfuhr. Bei Jirkuff ist es eine Geschichte aus Kohle und Papier, die nach der (Un-)Sichtbarkeit vulnerabler Menschen fragt. (Eva Königshofen, Diagonale’23)
Credits
EDGE OF DOOM
Michaela Grill / Österreich/Kanada 2020 / 3 min / kein DialogEine kurze Folge von Split Screens versammelt Frauen in Ausnahmezuständen: aufgerissene Augen, hochgeworfene Arme, Schreie, eckige Augenbrauen, fassungslose Münder, liegend laufend stehend aufspringend. Emotionale Extremmomente, gesucht und gefunden in Stummfilmen der 1920er Jahre. Wut, Empörung, Schmerz, Schrecken, Angst und Abscheu: ein Kaleidoskop prototypischer Affekt-Gesten, freigelegt von allen narrativen Zusammenhängen. Die Emotionspaare verstärken sich gegenseitig oder reiben sich aneinander. Das Musikstück von Sophie Trudeau, zu dem Michaela Grill ihre Fundstücke wie ein Musikvideo geschnitten hat, stammt aus der Serie der »Confinement Songs«, aufgenommen zu Beginn des pandemiebedingten Lockdowns. (Madeleine Bernstorff)
Credits
DER RISS
Paul Ertl / Österreich 2022 / 53 min / OmeUHinter der Tapete entdeckt die achtzigjährige Frau Pospisil eines Nachts einen Riss in der Wand. Schon davor haben sich unheimliche Dinge in der ihr so vertrauten Altbauwohnung zugetragen: ein laufender Wasserhahn, ein Fernseher, der von allein umschaltet, geplünderte Vorratsschränke. All das verschweigt sie ihrem Sohn, der sie ohnehin lieber in einem Pflegeheim wüsste. Der Bruch zwischen Selbst- und Fremdwahrnehmung droht sich zu einem verschlingenden Graben auszudehnen, bis ein köstlicher Hauch Surrealität eine überraschende Wendung herbeiführt. Paul Ertls mittellanger Spielfilm verschaltet psychologisch unterfütterten Horror mit romantisch-komödiantischen Elementen. Und kokettiert dabei gekonnt mit einem ganz realen Grusel: der Angst vor dem Alter. (Eva Königshofen, Diagonale’23)
Credits
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