WE’RE IN THIS TOGETHER NOW: MISSBRAUCH WIRD BESTRAFT
Fr 6.7.2018 21:30 FILM
Irgendwo in der urbanen Peripherie quälen drei Mädchen ein viertes, wacht eine junge Frau ohne Schuhe und Erinnerung an den Vorabend auf, nimmt eine nächtliche S-Bahn-Fahrt eine beklemmende Wendung. 20 Jahre umspannen die Kurzfilme der österreichischen Filmemacherinnen Ruth Mader, Ulrike Schweiger, Clara Stern, Fiona Rukschcio und Magdalena Chmielewska, die sich hier Seite an Seite reihen in ihren Schilderungen gewaltvoller Übergriffe auf Mädchen und Frauen und deren individuelle Bewältigungsstrategien. Sie treffen die Gesellschaft ins Mark: Ein Mikrokosmos des Wegschauens offenbart sich, die Notbremse zieht niemand. Missbrauch wird eben nicht immer bestraft.
Filmtalk
Gespräch mit Magdalena Chmielewska (AM HIMMEL), Fiona Rukschcio (EIN PROZESS. DAS PROTOKOLL.), Ulrike Schweiger (MISBRAUCH WIRD BESTRAFT) und Clara Stern (WARTEZEIT) im Anschluss an das Filmscreening. Moderation: Doris Posch.
Kuration
Lisa Mai
GFRASTA
Ruth Mader / Österreich 1998 / 11 min / OmeU»Ich bin 13 Jahre alt, ich hab‘ eine Schwester, die was behindert ist, sie ist vier Jahre jünger als ich; meine Mutter is‘ sauschiach, und mein Vater is‘ a Volltrottel, verstanden?«
Vor dem Hintergrund von Wohnsilos an der Peripherie Wiens stänkern drei Mädchen aus Fadesse. Ihre Gesichter und Haltungen sind leer, abgestumpft und doch voller Aggression, ihre Taten erniedrigende Machtspiele, in kruder Mundart vorgetragen, geboren aus Mangel an sozialen Strukturen. Ruth Mader ordnet die Figuren fast statisch an den Betonwänden an und schöpft daraus eine bedrohliche Kinetik. (Dominik Kamalzadeh)
GFRASTA, entstanden während des Studiums an der Filmakademie Wien, wurde 1999 mit dem Max Ophüls Preis in der Kategorie Kurzfilm ausgezeichnet.
Credits
WARTEZEIT
Clara Stern / Österreich 2016 / 11 min / dOFEine junge Frau steht an der Bushaltestelle. Ein Unbekannter nähert sich der Wartenden langsam aber bedrohlich. In nur wenigen Minuten Spielzeit baut Clara Stern in ihrem Kurzspielfilm WARTEZEIT eine beklemmende Ewigkeit auf und wurde dafür u.a. auf dem Caminhos Film Festival in Portugal und auf dem AASFF – Austrian American Short Film Festival in New York mit Preisen ausgezeichnet.
Credits
MISSBRAUCH WIRD BESTRAFT
Ulrike Schweiger / Österreich 1998 / 15 min / dOFWährend einer abendlichen Schnellbahnfahrt kreuzen und trennen sich die Wege verschiedener Personen: eine junge Frau, eine Mutter mit Kind, ein Pensionist, eine Schülerin, ein älteres Ehepaar. Zusammengeschweißt im Moment, offenbart sich angesichts eines gewaltvollen Übergriffs ein Mikrokosmos des Wegschauens, der von Ulrike Schweiger mit genauem Blick seziert wird.
MISSBRAUCH WIRD BESTRAFT, entstanden während des Studiums an der Filmakademie Wien, wurde weltweit auf mehr als 30 Filmfestivals gezeigt und vielfach mit Preisen ausgezeichnet, unter anderem auf dem Festival International du Film d’Amiens (1998), dem International Short Film Festival Berlin (1998), dem Fort Lauderdale International Film Festival (1999) und dem Melbourne International Film Festival (1999).
Credits
EIN PROZESS. DAS PROTOKOLL.
Fiona Rukschcio / Österreich 2014 / 10:30 min / OmeU (HoH)In EIN PROZESS. DAS PROTOKOLL. wird der Ablauf eines als vermeintlich locker geplanten Abends unter Bekannten nacherzählt, der mit einer Vergewaltigung endete. Abwechselnd reiht Fiona Rukschcio fragmentarische Aussagen der jungen Frau und des Angeklagten aneinander, die nüchtern von Stimmen aus dem Off verlesen werden und die Geschehnisse jener Nacht Stück für Stück rekonstruieren. Die protokollierten Schilderungen klaffen dabei immer weiter auseinander, die Formulierungen des Angeklagten wirken wie einstudiert – und nicht zuletzt über dessen Ungerührtheit transportiert sich auch die emotionale Distanziertheit, die einem juristischen Prozedere innewohnt.
In dieser dokumentarischen Arbeit, die keine intakten Bilder liefert, dominiert das gesprochene Wort: Ein körperlicher Übergriff wird für ein Gerichtsverfahren beschrieben. Die fehlende Sichtbarkeit der seelischen Gewaltausübung findet als blinder Fleck auf der visuellen Ebene ihre Entsprechung: Schwarzkader markieren Leerstellen, die sich in der Montage zwischen die verschiedenen Segmente schieben. Dem Umstand, einen Gewaltakt paragraphisch erfassen zu wollen, begegnet Fiona Rukschcio mit beklemmender Unschärfe. (Jana Koch)
Credits
AM HIMMEL
Magdalena Chmielewska / Österreich 2018 / 30 min / OmeU»Am Himmel« in Wien wird Maya plötzlich wach, mitten in der Nacht. Etwas ist passiert, aber was? Regisseurin Magdalena Chmielewska folgt ihrer präzise gezeichneten Hauptfigur durch die psychologische Wiederholung eines Gewaltakts. Maria Spanring brilliert als komplexe, starke junge Frau. (Diagonale)
Credits