8x8x2 ALIVE WHEN WE LEFT
Do 20.7.2017
21:30
FILM
Pubertät: das Gefühl des Fremdseins in der eigenen Existenz. Vom Erwachsenwerden wird hier erzählt, vom alltäglichen Gruppendruck, von der emotional komplexen Kampfzone zwischen Spiel und Ernst. Genervt von der Wiederkehr des Immergleichen, kanalisieren sich Unsicherheiten in spontanen Aggressionsausbrüchen. Das Gefühl der Ohnmacht manifestiert sich in rätselhaften Video-Ritualen im Internet. Es hilft nicht, dass der Dorfkosmos bzw. Wohnbau klar abgesteckte Grenzen setzt, ganz im Gegenteil. Doch irgendwo da drinnen gibt es sie, die kleinen Momente, in denen teen spirit nach Glück und Freiheit und Unabhängigkeit riecht.
Filmtalk
Gespräch mit Kurdwin Ayub (KATZENJAMMER), Iris Blauensteiner (SCHWITZEN), Karin Fisslthaler (SATELLITES), Susi Jirkuff (G_GIRLS) und Serafin Spitzer (ERDBEERLAND) im Anschluss an das Filmscreening. Moderation: Doris Posch.
SCHWITZEN
Iris Blauensteiner / Österreich 2014 / 30 min / dOFPumpender Sound, menschenleere Weinviertler Weite: Sommerferien, Provinz, Langeweile. Zwei Mädchen im Teenager-Alter sinnieren über ihre Zukunft und schlagen die Zeit tot. Genervt von der Wiederkehr des Immergleichen, kanalisieren sie ihre adoleszenten Unsicherheiten in spontanen Aggressionsausbrüchen. Im YouTube-Stream laufen dazu gefilmte Grauslichkeiten der Lebendtierfütterung: Hier wie dort regiert das Gesetz des Stärkeren. Im wunderschön fotografierten Vakuum eines klar abgesteckten Dorfkosmos konfrontiert Iris Blauensteiner ihre Protagonistinnen mit den unvermeidbaren Weichenstellungen des Erwachsenwerdens – und damit auch mit der erstmals im Raum stehenden längeren Trennung der Freundinnen. Coming-of-Age zwischen Möchtegerngangster-Attitüde, Disco und behutsamer Suche nach Identität. (Diagonale)
Credits
KATZENJAMMER
Kurdwin Ayub / Österreich 2011 / 4:30 min / dOFSchaulust im YouTube-Zeitalter: Lasziv aber unsicher argumentiert Kurdwin Ayub mit Wort und Körper, den Blick immer wieder direkt in die (Computer-)Kamera gerichtet. Wir schauen zurück, stellvertretend für den Adressaten und Millionen Internet-User*innen. Das Private hat den Privatraum längst verlassen. (Diagonale)
In halb flehentlichen Sätzen bemüht sich Kurdwin Ayub darum, den imaginären Adressaten des Videos – offensichtlich der Ex-Boyfriend – noch einmal in den Bann zu ziehen. Eingeklemmt zwischen den archetypischen Bildern »unschuldiges Mädchen« und »verführerische Femme fatale« macht Ayub dabei das Unbehagen, aber auch die Komik, die sich aus den Reibungsflächen zwischen den beiden Vorstellungen von Weiblichkeit ergeben, durch ihr ungelenkes und zögerliches Verhalten deutlich. (Alexandra Seibel)
Credits
G_GIRLS (GINNY/GRACIE)
Susi Jirkuff / Österreich 2015 / 11 min / eOFGinny und Gracie: zwei Miniaturen über zwei jugendliche Mädchen, miteinander lose verbunden durch ein Telefonat. Die Mädchen treten nicht als Figuren in Erscheinung, sondern werden ausschließlich über Dialoge und animierte Lebensräume skizziert: graue architektonische Bleistiftzeichnungen einer Plattenbausiedlung auf der einen, breitpinselige Rotoskopien einer besseren Wohngegend in gedeckten Braun-Grau-Tönen auf der anderen Seite. Zwei Welten, die sich ähneln, ohne gleich zu sein, und deren äußere Realität mit den Träumen und Bedürfnissen der Mädchen kollidiert. Zwei ästhetisch abstrahierte Milieuzeichnungen, die nicht soziologisch präzise, dafür jedoch poetisch verdichtend zwei ganze Leben aufmachen – und von denen man sich wünscht, sie würden auf eine unbestimmte Anzahl weiterer Menschen, Leben, Gegenden treffen. (Diagonale)
Credits
Play Trailer
SATELLITES
Karin Fisslthaler / Österreich 2012 / 7 min / kein DialogSATELLITES zeigt Bilder eines rätselhaften, auf der Videoplattform YouTube verbreiteten Ohnmachtsrituals unter Jugendlichen. Im Mittelpunkt stehen die Pose, Geste und Berührungen. Körper werden aus dem »entkörperlichten« Raum des Internets herausgelöst und in den sozialen Kontext des Kinos eingebettet. (Crossing Europe)
Credits
ERDBEERLAND
Florian Pochlatko / Österreich 2012 / 35 min / dOFSmells like teen spirit – in der Steiermark. Nisti und Resi, das war einmal. Dennoch läutet schon wieder Resis iPhone – und klar, der Nisti ist’s. Irgendwo zwischen Komasaufen und Onanieren, Blickwechseln und Eifersucht, Gruppendruck und selbstverordneter Idiotie, Drill im Turnsaal und Zerstörungslust, Todessehnsucht und dem Rausch der Geschwindigkeit, irgendwo dazwischen muss doch Platz sein für die unentdeckten Held*innen dieser Welt. Da avanciert selbst der TV-Seelsorger (Schlagerstar Waterloo in einem pointierten Gastauftritt im eigenwilligen Westernlook) zur moralischen Instanz: »Du hast nur das eine Leben, merk dir das.«
Credits