NO/MORE COMFORT: MINOR BORDERS
Sa 25.7.2015
21:30
FILM
Ein Wald, ein LKW-Parkplatz, ein Hafen. Es ist schwer, Bilder und Töne zu finden für die Grenzregionen Europas, diese Nicht-Orte, die Reisende ohne passende Dokumente ihrer Identität berauben und zu gesichtslosen Geistern in einem Zwischenreich machen. Fünf europäische Filmemacher*innen erzählen von Versuchen der Grenzüberschreitung zu Wasser und zu Land. Sie finden Wahrhaftigkeit, in der Grauzone zwischen Fiktion und Dokumentation.
Filmtalk
Gespräch mit Eileen Hofer (MY HONEYMOON), Lisbeth Kovacic (MINOR BORDER), Dieter Behr (Afrique Europe Interact) und Edith Meinhart (Journalistin, profil) im Anschluss an das Filmscreening. Moderation: Melanie Letschnig.
MINOR BORDER
Lisbeth Kovacic / Österreich 2015 / 25 min / OmeUEin Bagger demontiert einen Grenzübergang. Der Abbau der traditionellen Grenzanlagen zwischen Österreich und Ungarn macht gleichzeitig die neue, unsichtbare Abschottungslinie erfahrbar. Während sich im Bild die Balken biegen, entspinnt sich im Off ein Gedankenaustausch über die vermeintliche Bewegungsfreiheit in Zeiten von Schengen. Lisbeth Kovacic findet in ihrem auf der Diagonale 2015 mit dem Preis für den besten Kurzdokumentarfilm ausgezeichneten Film MINOR BORDER Bilder und Töne für diese Nicht-Orte und hinterfragt das europäische Grenzregime und seine dahinterliegende Politik.
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MY HONEYMOON
Eileen Hofer / Schweiz 2014 / 4 min / eOmfUIm Jahr 2013 kamen 11.600 Asylsuchende nach Bulgarien, einem der ärmsten Länder Europas. Die meisten von ihnen waren aus Syrien geflüchtet. MY HONEYMOON handelt von einem kurzen zufälligen Zusammentreffen der Filmemacherin Eileen Hofer mit Berivan und ihrem Mann.
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SHIPWRECK
Morgan Knibbe / Niederlande 2014 / 15 min / OmeUAm 3. Oktober 2013 sinkt ein Boot, auf dem sich 500 aus Eritrea geflüchtete Menschen befinden. Über 360 von ihnen ertrinken vor der Küste der italienischen Insel Lampedusa. Abraham, einer der Überlebenden, geht durch einen Friedhof von Schiffswracks und erinnert sich an die albtraumhafte Erfahrung. Währenddessen werden am Hafen hunderte Särge auf ein Militärschiff geladen.
Ungewöhnlich poetisch und zugleich bedrückend eindringlich dokumentiert SHIPWRECK ein großes Problem unserer Zeit: Die hoffnungslose Situation von Menschen, denen die Passage über das Mittelmeer geglückt ist, während viele ihrer Freunde und Familienmitglieder im Meer bleiben. Ohne einzugreifen, gleitet die Kamera von Morgan Knibbe zwischen den Schiffen und den Menschen hindurch. Sie gleitet über die Gesichter italienischer Polizist*innen, Journalist*innen und Einheimischer, die ihre Blicke hinter spiegelnden Sonnenbrillen verbergen, als schämten sie sich ihres eigenen Voyeurismus.
SHIPWRECK wurde 2014 auf dem Internationalen Filmfestival von Locarno mit dem silbernen Leoparden für den besten Kurzfilm ausgezeichnet und wurde Teil des längeren Dokumentarfilms THOSE WHO FEEL THE FIRE BURNING, der noch im selben Jahr auf dem Internationalen Dokumentarfilmfestival Amsterdam Premiere feierte.
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MIRAMARE
Michaela Müller / Kroatien/Schweiz 2009 / 8:30 min / OFMeeresrauschen, schreiende Möwen, das Klacken von Sandalen … Im Animationsfilm MIRAMARE wird mit einer impressionistischen Tonspur und wenigen Pinselstrichen eine Strandszenerie entworfen. Der Film wirft einen Blick auf das Leben an den mediterranen Grenzen Europas, wo Tourist*innen sich entspannen wollen, während »illegale« Immigrant*innen um eine Chance auf ein besseres Leben kämpfen. Als zwei Kinder einer Schweizer Familie aus der streng abgegrenzten Touristenzone ausbrechen, lernen sie schnell, dass die Realität an diesem Ort nicht viel mit dem Leben auf dem Campingplatz zu tun hat. In der Nacht dann fegt ein Sturm über Strand und Gelände. Absperrungen und Grenzen werden zunichte gemacht und für einen Moment herrscht Gleichheit in einer ungleichen Welt.
Die Schweizerin Michaela Müller, die in Zagreb studierte, ist ursprünglich Malerin und vereint in MIRAMARE ihr Können mit der filmischen Animation. Für ihren Diplomfilm malte sie virtuos mit breitem Pinsel über 5.000 Bilder chronologisch auf eine Glasplatte und wurde dafür vielfach mit Preisen ausgezeichnet, unter anderem mit dem Grand Prix Animateka 2010.
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AMONG US
PARMI NOUS
Clément Cogitore / Frankreich 2011 / 30 min / OmeUArmin, ein junger Mann ohne Pass, hat sich gerade einer Gruppe anderer Menschen, die in einem Wald campen, angeschlossen. Untertags leben sie im Verborgenen. Gesichtslos, sprachlos, identitätslos lassen sie sich durch den Tag treiben. Des Nachts versuchen sie sich in die Werft zu schleichen, um als blinde Passagier*innen unter einem der LKWs Platz zu finden. AMONG US erzählt vom Grenzenüberschreiten: Der Grenze zwischen Bürger*innen und Nicht-Bürger*innen, der Grenze zwischen Realität und Metapher und der Grenze zwischen den Lebenden und den Toten.
Nach seinem Studium an der ESAD (Ecole Supérieure des Arts Décoratifs) in Straßburg und am Le Fresnoy Studio für Moderne Kunst begann Clément Cogitore, eine eigene Form aus Video- und Konzeptkunst zu entwickeln. Wenn Clément Cogitore Filme macht, ist er dabei immer gleichzeitig Künstler und Filmemacher. Auch diese Grenze verläuft in AMONG US fließend.
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