VISUAL MOTHERS
Carte blanche Christiana Perschon
Fr 13.7.2018 21:30 FILM
»In der Nacht, wenn ich manchmal ein paar Stunden wach bin, dann sehe ich so viel. Ich mach‘ oft die Augen zu, auch am Tag, um zu sehen was ich inwendig sehe.« In ihrem 30-minütigen Dokumentarfilm NOEMA (2014) zeichnet Christiana Perschon das Porträt der 93-jährigen Malerin Tatjana Gamerith, die im Alter langsam erblindet und einen Weg finden muss, dies mit ihrem künstlerischen Schaffen in Einklang zu bringen. Blicke werden zu Berührungspunkten in Christiana Perschons filmischen Menschenbildern, viele davon Porträts bildender Künstlerinnen, so wie ihre jüngste Arbeit DAS BIN NICHT ICH, DAS IST EIN BILD VON MIR (2018).
Auch NOEMA nimmt sich Zeit fürs Schauen und Spüren. Bei dotdotdot 2017 wurde Christiana Perschon dafür der Publikumspreis verliehen – die höchste Auszeichnung, die ein Filmfestival zu vergeben hat. Ein Teil des Preises ist eine Carte blanche für die Kuratierung eines Kurzfilmprogramms. Auf der Leinwand und im anschließenden Gespräch tritt Christiana Perschon nun in Dialog mit ihren »Visual Mothers«, drei große Frauen der Filmavantgarde der 1980er Jahre, die ihren Werdegang als Filmemacherin geprägt haben: Linda Christanell, Mara Mattuschka und Barbara Hammer.
Sprachen / Languages
• Filme in Originalfassungen mit deutschen Untertiteln (HoH)
• Moderation und Filmtalk mit Übersetzung in Gebärdensprache (ÖGS)
• Induktive Höranlage für Träger*innen von Hörgeräten/-implantaten
Filmtalk
Gespräch mit Linda Christanell, Mara Mattuschka und Christiana Perschon im Anschluss an das Filmscreening. Moderation: Bettina Brunner.
NOEMA
Christiana Perschon / Österreich 2014 / 29 minScreening: OmdU (HoH) / Streaming: OmeU
»In der Nacht, wenn ich manchmal ein paar Stunden wach bin, dann sehe ich so viel. Ich mach‘ oft die Augen zu, auch am Tag, um zu sehen was ich inwendig sehe.« (Tatjana Gamerith)
Die 93-jährige Malerin Tatjana Gamerith verliert langsam ihr Augenlicht. Ihre Linienführung verläuft nun intuitiv und mehr aus der routinierten Hand als über das Sehen, da sie ihren Blick nicht mehr auf einen Punkt konzentrieren kann. Blicke werden zu Berührungspunkten, wenn die Kamera Gesten der Malerin einfängt. NOEMA spielt mit Wirklichkeitsvorstellungen und markiert Sinneseindrücke. Grenzen des Abbildbaren und des Imaginären werden dabei unscharf gezeichnet und verschwimmen. Die Brüchigkeit von Realität und Zeit wird spürbar.
Christiana Perschon wurde für ihr einfühlsames und visuell bestechendes Dokuporträt 2014 auf dem Kurzfilmfestival Vienna Independent Shorts mit gleich drei Auszeichnungen geehrt: dem Wiener Kurzfilmpreis für den besten österreichischen Film, dem Preis der Jugendjury und dem Publikumspreis. 2017 wurde NOEMA mit dem Publikumspreis von dotdotdot ausgezeichnet.
Credits
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OPTIC NERVE
Barbara Hammer / USA 1985 / 17 min / OmdU (HoH)Die US-amerikanische Filmemacherin, Performance- und Medienkünstlerin Barbara Hammer (1939-2019) zählt zu den wichtigsten Vertreter*innen des unabhängigen amerikanischen Films. OPTIC NERVE ist ein eindrückliches filmisches Manifest der sensorischen Erfahrung des Anderen im Selbst. Die 8-mm-Aufnahmen der 97-jährigen Großmutter der Filmemacherin zeugen nicht nur von Vergänglichkeit und Abhängigkeit von medizinischen Geräten, thematisiert wird genauso die einseitige Erblindung der alten Frau. Im Verlust der Dreidimensionalität des projizierten Films verdichtet sich OPTIC NERVE zu einer vielfach manipulierten, diffus-flackernden Studie über die Grenzen des Sehens.
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ES WAR EIN MERKWÜRDIGER TAG
Linda Christanell / Österreich 1979 / 7 min / OmdU (HoH)An einem beliebigen Sommertag in einem beliebigen Garten entsteht eine filmische Miniatur einer Suche nach sich selbst.
Die Frau hinter der Kamera hat sich eine spezielle Apparatur erdacht: Ein fester Stoff, über die Finger gespannt, entfaltet sich mit deren Bewegung zum Fächer. Zugleich fungiert dieser jedoch auch als Abblende – das Spiegelbild der Frau wird unsichtbar. Linda Christanell, Jahrgang 1939, ist seit den 1960er-Jahren Teil der (ersten) heimischen Filmavantgarde. Ihre Arbeiten charakterisiert unter anderem die Verwendung von Objekten und Materialien, die ambivalent besetzt sind: Talmi und Tand, schillernde Stoffe, Schmuckstücke, Spiegel, Fotos. (Der Standard)
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DOUBLE 8
Christiana Perschon / Österreich 2016 / 3 min / stummZwei Handkameras, zwei Rollen Doppel-8-Material, vier Kader: In ihrer filmischen Begegnung nehmen sich Christiana Perschon und Linda Christanell – zwei Künstlerinnen aus unterschiedlichen Generationen des österreichischen Avantgardefilms – gegenseitig in den Blick, agieren zugleich als Filmende und Protagonistinnen miteinander. Zu zweit, mit je einer Kamera, entstehen so vier Bilder, die – im Split Screen auf der Leinwand angeordnet – den visuellen Vergleich nahelegen: Was ähnelt sich und worin? Wo entstehen Brüche? Wie verhalten sich die Gefilmten und die Filmenden zueinander? (Diagonale)
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DAS BIN NICHT ICH, DAS IST EIN BILD VON MIR
Christiana Perschon / Österreich 2018 / 9 min / OmeUEine Begegnung mit Fotografie durch Film – eine Begegnung zweier Künstlerinnen, die gegen das Abbild arbeiten: Rouladenspieße, Nägel und Haarnadeln, die eine Leinwand durchbohren, Spuren im Material hinterlassen. Dunkelkammer, Schwarzbild, Rotlicht, Negativ, das Positiv zum Fragment vergrößert. Nicht das sichtbare Bild ist entscheidend, sondern die Sichtbarmachung des Prozesses, der zum Bild geführt hat. Ausgangspunkt für den Film ist Karin Macks Fotoserie ZERSTÖRUNG EINER ILLUSION. (Diagonale)
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CEROLAX II
Mara Mattuschka / Österreich 1985 / 5 min / OmdU (HoH)In CEROLAX II, einer Werbe-Persiflage Marke Mara Mattuschka, Realtrick in Schwarzweiß, bewirbt der Star Mimi Minus ein neues klebrig-schwarzes Gehirnspülmittel, das M. M. erst auf ihr Spiegelbild anwendet, um eine Gehirnhälfte reinzuwaschen, und das sie in der Folge auf ihren Körper aufträgt: Sie besprüht alle Zeich(nung)en, ersetzt diese Flecken durch die neue Farbe, verklebt dann mit dem Wundermittel ihre Sinne: erst die Scham, dann die Achseln, schließlich Augen, Mund und Ohren. Am Ende setzt die leicht devastierte und solchermaßen gereinigte Hausfrau eine Perücke auf und richtet ihren Blick prüfend in den Kamera-Spiegel. (Christa Blümlinger)
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NABELFABEL
Mara Mattuschka / Österreich 1984 / 3 min / OmdU (HoH)In NABELFABEL verpasst sich Mara Mattuschka durch etliche Strumpfhosen hindurch eine zweite Geburt. Ihr Körper kriecht derart deformiert und angestrengt aus den Nylonschichten, daß der schiere Überlebenskampf sichtbar wird. (Peter Tscherkassky)
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ES HAT MICH SEHR GEFREUT
Mara Mattuschka / Österreich 1987 / 1:30 min / OmeUUnd der alte Kaiser sagte: »Danke, es war sehr schön, es hat mich sehr gefreut!« (Mara Mattuschka)
In ES HAT MICH SEHR GEFREUT wird die berühmte kaiserliche Zitatphrase mit einem ironisch angelegten Masturbationssetting verkoppelt.
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