FILMARCHIV
ARCADE FIRE: WE EXIST
David Wilson • USA 2014 • 6:20 minScreening: OmdU (HoH) • Streaming: eOF
Andrew Garfield schlüpft für die kanadische Indie-Rockband Arcade Fire aus dem rot-blauen Spiderman-Trikot und liefert eine beeindruckende Performance als junge Frau, die im Körper eines Mannes geboren wurde. WE EXIST aus dem Doppelalbum REFLEKTOR erzählt vom schmerzvollen Coming-out gegenüber dem Vater, das Video zur Single folgt ihr durch eine amerikanische Kleinstadt. Persönliche Freiheit und Akzeptanz erfährt sie allerdings nur im Traum.
BIIDAABAN (THE DAWN COMES)
Amanda Strong • Kanada 2017 • 19 min • eOFSeit jeher ernten Native Canadians den Saft von Ahornbäumen, um daraus Sirup zu produzieren – eine Gepflogenheit, die bis heute andauert. Biidaaban, eine junge genderfluide Person, und der Gestaltenwandler Sabe machen sich auf, um die Arbeit ihrer Ahn*innen in dem städtischen Umfeld fortzuführen, das längst vom Land Besitz genommen hat. Biidaaban kann dabei Spuren der Zeit, Menschen, Lebewesen und des Landes sehen. – Nach Kurzgeschichten der Schriftstellerin Leanne Betasamosake Simpson, die der Ethnie der Mississauga Nishnaabeg angehört, schuf die indigene Künstlerin Amanda Strong einen Stop-Trick-Animationsfilm von berückender Schönheit.
BRADLEY MANNING HAD SECRETS
Adam Butcher • USA 2012 • 5:30 min • eOFDie Geschichte von Chelsea Manning (früher bekannt als Private First Class Bradley Manning der US-Armee), gerade mal 25 Jahre alt – jedoch nicht als Wikileaks-Hacktivist*in, sondern als Soldat*in in einem fragwürdigen Krieg und als Mensch in einer Identitäts- und Gewissenskrise auf mehreren Ebenen. Adam Butchers Animationsfilm verwendet ausschließlich Originaldialoge aus Instant-Messenger-Konversationen zwischen Manning und dem Hacker und Enthüllungsjournalisten Adrian Lamo und zeigt eine andere Seite im großen Enthüllungsskandal. Es geht um große Sinnkrisen und -fragen, persönliche und nationale Geheimnisse, Verantwortung und Moral, aber auch die Entmenschlichung sowie Entkörperung von digital geführten Kriegen. BRADLEY MANNING HAD SECRETS entwirft mittels präzise gewählten Dialogpassagen – in der abstrakten Darstellung der animierten Roto-Pixel-Welt – ein mitfühlendes, menschliches Porträt. Der Film stellt Manning nicht als unehrenhaft entlassene*n (und später verurteilte*n) Soldat*in und Verräter*in dar, sondern als Individuum in einer Geschlechts- und Identitätskrise, dessen größte Furcht war, nicht geliebt zu werden. (identities Queer Film Festival)
BREAKWATER
Cris Lyra • Brasilien 2019 • 27 min • OmeUFilmemacher*in Cris Lyra macht sich mit Freund*innen auf einen Roadtrip an die brasilianische Küste, um den Jahreswechsel gemeinsam zu feiern. Sie schwimmen, machen Musik, relaxen am Strand. Es ist eine Zeit der Leichtigkeit, aber auch der tiefen Gespräche. Sie berühren mit persönlichen Gedanken der befreundeten jungen Frauen* über ihre Sexualität, Körper, Haare, Jugend, Ängste, Sicherheiten und Unsicherheiten, über Unsichtbarkeit, Sichtbarkeit und Lesbisch sein in einer patriarchalen Gesellschaft. Dabei zeichnet sich eine Momentaufnahme Brasiliens, in dem das soziale und politische Klima seit der Wahl von Präsident Jair Bolsonaro merklich abgekühlt ist.
CHEZ NICOLE
Viki Kühn • Österreich 2012 • 22 min • OmdU (HoH)Viki Kühn möchte mit ihren Filmen vor allem eines: berühren. Das gelang ihr mit FRIEDL (2011), und es gelingt ihr auch mit diesem schön gestalteten Porträt der als Lionel geborenen Französin Nicole, Mutter von vier Töchtern. Sie hat viel erlebt und noch mehr durchgemacht, nach dem Wechsel ihres Geschlechts mit fast 70 Jahren wurde sie Tänzerin, Kunsthandwerkerin und Fotomodell. Kühn kommt ihrer Protagonistin respektvoll nahe (etwa bei der Kleider-Anprobe oder vor dem Schminkspiegel) und zeigt sie beim Tänzeln in der eigenen Wohnung, während Nicole auf der Tonspur offen aus ihrem Leben erzählt. (Viennale)
DAWN OF THE DEAF
Rob Savage • Großbritannien 2016 • 12 minScreening: OmdU (HoH) • Streaming: OmeU
Die Zombie-Apokalypse in einer stillen, düsteren Kinodeutung: Die Beziehung einer gehörlosen jungen Frau zu ihrer Freundin steckt in der Krise, nun wird die Situation auch noch von unheimlichen Ereignissen überschattet, auf die niemand gefasst zu sein scheint. DAWN OF THE DEAF – zu sehen in Originalfassung (British Sign Language) mit Untertiteln – begeisterte auf mehr als 100 internationalen Filmfestivals und wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet.
DRONE BONING
Brandon LaGanke & John Carlucci • USA 2014 • 3 min • kein DialogDrone porn is a thing now! Ob Full-HD, Blu-ray, 3D, 4K, Google Glass oder Virtual Reality: Die Porno-Industrie zählt stets zu den Pionier*innen, wenn es neue Technologien für die eigenen Zwecke zu erproben gilt. DRONE BONING der beiden New Yorker Videokünstler Brandon LaGanke und John Carlucci aka GHOST+COW FILMS ist jedoch nicht als klassischer Pornofilm zu verstehen. Der erste Drohnen-Porno bietet mehr kritische als herkömmlich pornografische Inhalte. Nackte Menschen in schönen Landschaften bilden den Untergrund, auf dem das Musikvideo einen humorvollen Kommentar über Privatsphäre, Voyeurismus und Drohnenangriffe serviert.
EAT MY MAKEUP!
Marie Losier • USA 2005 • 5 min • OFFünf einnehmende Fräulein – darunter Filmregisseur George Kuchar und Marie Losier selbst – picknicken auf dem Dach eines Warenhauses im bezaubernden Long Island City, wo sich ein Wald von Wolkenkratzern am Fluss entlang erstreckt. Zu den Klängen von Wanda Jackson eskaliert der dialoglose Film schließlich, als ein Schwarm Fliegen die ausgelassene Zusammenkunft stört.
FACIAL WEAPONIZATION COMMUNIQUÉ: FAG FACE
Zach Blas • USA 2013 • 8 min • eOFFacial Weaponization Suite, work in progress des US-amerikanischen Künstlers und Kurators Zach Blas, protestiert gegen biometrische Gesichtserkennung und die Ungleichheiten, die diese Technologie propagiert, indem es »kollektive Masken« in Workshops herstellt, die aus den vereinten Gesichtserkennungsdaten der Teilnehmer*innen angefertigt werden. Die amorphen Masken, die nicht mehr als menschliche Gesichter identfiziert werden können, werden bei öffentlichen Interventionen und Performances eingesetzt. Das Gesicht wird Objekt und (Selbstverteidigungs-)Waffe. Neben der neonpinken Fag-Face-Maske, die sich mit Homosexualität auseinandersetzt, existieren bisher auch eine schwarze Maske und eine blaue Maske, die Rassismus und feministische Theorie thematisieren.
FOR NONNA ANNA
Luis De Filippis • Kanada 2018 • 13:30 minScreening: OmdU (HoH) • Streaming: eOF
Christina soll sich in der Abwesenheit ihrer berufstätigen Mutter um ihre italienische Großmutter kümmern. Sie vermutet, dass ihre Nonna sie missbilligt – stattdessen entdeckt sie eine zarte Bindung in ihrer gemeinsamen Verwundbarkeit. Die stille Momentaufnahme ist vom Leben der* Filmschaffenden Luis De Filippis inspiriert, die* in ihren* Arbeiten die verbreiteten Narrative um Transidentitäten umschreibt: »My grandmother was illiterate, spoke almost no English and was a devout Catholic, yet, her house was my safe space.« Ausgezeichnet mit dem Special Jury Prize beim Sundance Film Festival 2018.
HOLE
Martin Edralin • Kanada 2014 • 15 minScreening: OmdU (HoH) • Streaming: eOF
Billy, in mittlerem Alter, schwul und körperlich behindert, lebt alleine – aber fühlt sich nicht minder isoliert, wenn er unter Leuten ist. Der ihm nächste Mensch ist sein Assistent Craig, der ihn täglich besucht, ihm bei den Arbeiten im Haus und beim Baden hilft. Billy wünscht sich nichts sehnlicher als eine Beziehung, und so streift er durch die Stadt, auf der Suche nach Intimität …
I LIKE GIRLS
Diane Obomsawin • Kanada 2016 • 8 minScreening: OmdU (HoH) • Streaming: fOF
Charlotte, Mathilde, Marie und Diane erzählen intime und witzige Geschichten von der ersten Liebe, von einseitiger Schwärmerei, gegenseitiger Anziehung und erotischen Momenten. Ihr sexuelles Erwachen geht Hand in Hand mit der Entdeckung, andere Frauen zu begehren – und mit einem freudvollen neuen Selbstbewusstsein. Drei Episoden über Wonder Women, Cowgirls & Co. aus dem Comic J’AIME LES FILLES der kanadischen Comiczeichnerin und Filmemacherin Diane Obomsawin alias OBOM.
INGRID
Marie Kreutzer • Österreich 2010 • 12:30 min • dOF»Ich will schon, dass du mich willst, aber dann will ich’s auch wieder nicht.« Zwei Frauen Mitte 30. Noch bis gestern waren sie ein Paar, das gewisse Prickeln liegt noch in der Luft. Am Abend wird Michi in den Zug nach Barcelona steigen – auch wenn sie sich schon zu alt für ihren Trampingrucksack fühlt. Ob Patricia mitkommt? Vieles ist möglich, nichts entschieden. Bis zum Abend bleibt noch genügend Zeit zum Streiten, für Alltag und Komplimente. Ein Nachmittag voll Dialog in sanftem Schwarzweiß. (Diagonale)
Mit ihren langjährigen Kollaborateurinnen Pia Hierzegger und Vanessa Stern in den Hauptrollen inszeniert Marie Kreutzer (DIE VATERLOSEN, GRUBER GEHT, WAS HAT UNS BLOSS SO RUINIERT) diese Hommage an eine der eindringlichsten Szenen aus Jean-Luc Godards AUSSER ATEM.
INTRINSIC MORAL EVIL
Harm Weistra • Niederlande 2013 • 11 min • eOFIn Kollaboration mit dem Choreografen Fernando Dominguez Rincon und drei talentierten Tänzern realisierte Harm Weistra mit INTRINSIC MORAL EVIL einen Film über das Erwachsenwerden und die Suche nach Identität, aber vor allem ein Spiel mit der Wahrnehmung und Erwartungshaltung der Zuschauer.
»Die spezifische Neigung der homosexuellen Person ist zwar in sich nicht sündhaft, begründet aber eine mehr oder weniger starke Tendenz, die auf ein sittlich betrachtet schlechtes Verhalten ausgerichtet ist.« (aus: Schreiben an die Bischöfe der katholischen Kirche über die Seelsorge für homosexuelle Personen • Joseph Kardinal Ratzinger • Rom, 1.10.1986)
JANELLE MONAE: PYNK (FEAT. GRIMES)
Emma Westenberg • USA 2018 • 5:30 min»PYNK is a brash celebration of creation. Self love. Sexuality. And pussy power! PYNK is the color that unites us all, for pink is the color found in the deepest and darkest nooks and crannies of humans everywhere«, so Janelle Monáe anlässlich des Releases ihres vierten Studioalbums DIRTY COMPUTER. Im Kleid eines verspielten R&B-Songs, der von 60s-Jazz, Funk und Synthie-Sounds durchzogen wird, servieren Janelle Monáe und Grimes in kongenialer Kollaboration mit zuckersüßer Stimme jede Menge doppeldeutige Lyrics, die Weiblichkeit und Sinnlichkeit feiern. Nur für den Fall, dass das zu subtil geraten sein könnte, hat Janelle Monáe noch ein großartiges Video in pastellfarbigem Setting gedreht, in dem sie und ihre Tänzerinnen unter anderem vulvaförmige Pluderhosen und Unterhosen mit unmissverständlicher Message tragen: We grab back!